Seiten

Montag, 7. Oktober 2013

Achtung, Radioaktiv!

Bei Radioaktivität dachten die meisten Leute bisher wahrscheinlich an Tschernobyl, seit der jüngeren Vergangenheit auch an Fukushima, an strahlende Pilze und verseuchtes Wild. Manche mögen sich vielleicht auch Bilder von seltsam mutierten Lebewesen aller Art ausmalen, aber die wenigsten denken wohl über die Radioaktivität in ihren eigenen vier Wänden nach (ausgenommen vielleicht russische KGB-Köche, die das berühmte Polonium&Sardellen-Sandwich zubereiten oder freischaffende Künstler, die Skulpturen aus Uran meißeln). Tatsächlich ist unser tägliches Leben voll von radioaktivem Zeug und damit meine ich nicht irgendwelchen Abfall, der möglicherweise unsachgemäß entsorgt wurde, sondern ausschließlich natürliche Radioaktivität. Und nicht nur unsere Umgebung, auch wir selbst beherbergen instabile Atomkerne, weil wir das Kohlenstoffisotop 14C in uns tragen, das sich chemisch nicht im geringsten von seinem stabilen Verwandtem, dem 12C, unterscheidetund und deshalb überall da eingebaut wird, wo wir Kohlenstoff benötigen - und das ist wortwörtlich überall. Woher haben wir dieses exotisch anmutende Kohlenstoffisotop? Wir nehmen es mit der Nahrung auf, die es wiederum selbst durch Photosynthese aus Kohlenstoffdioxid gewonnen hat, welches durch Einwirken kosmischer Strahlung auf 12CO2 in der oberen Atmosphäre entsteht. So wird der Gehalt an 14C auf der Erde in guter Näherung konstant gehalten.
Das bedeutet natürlich auch, dass unsere Atemluft, die nunmal Kohlenstoffdioxid enthält, radioaktiv ist. Ja, mit jedem Atemzug inhalieren wir etwas Radioaktivität und das vollkommen unabhängig von irgendwelchen Castortransporten, Umweltverschmutzung oder ob irgendwo auf der Welt auch nur ein einziges Atomkraftwerk existiert - nur mal so nebenbei bemerkt.
So weit, so gut.
Nun zu den weit absurderen Quellen der Radioaktivität, die sich hier und dort im Haushalt verstecken. Allen voran: die Banane! Bananen sind reich an Kalium und damit auch reich an 40K, einem radioaktiven Isotop, das etwa 0,012% allen natürlichen Kaliums ausmacht. Das klingt zwar nicht sehr viel, aber eine durchschnittliche Banane enthält etwa 0,5g Kalium, was einer Aktivität von ca. 15 Becquerel entspricht, was wiederum bedeutet, dass in einer Banane pro Sekunde 15 Kaliumatome dem radioaktiven Zerfall unterliegen. Man könnte nun versucht sein, aus Angst vor dieser Strahlenbelastung vom Bananenverzehr abzurücken, aber das wäre genauso unsinnig, wie mit besagtem Obst eine Tankstelle zu überfallen und zu behaupten, es handle sich um eine Strahlenkanone. Neben den zerfallenden Atomkernen enthält eine Banane nämlich noch so ungefähr 77.000.000.000.000.000.000.000 friedliche Kalium-Gesellen, die nicht daran denken zu zerfallen. Verfügt man jedoch über eine ganze Wagenladung Bananen, reicht deren Radioaktivität, um amerikanische Detektoren auszulösen, die eigentlich geschmuggelte Nuklearwaffen ausfindig machen sollen (wie hier nachzulesen ist). Es wurde sogar eine "banana equivalent dose" definiert, kurz "BED", um das Ausmaß einer nuklearen Bedrohung allgemein besser verständlich machen zu können. Ich persönlich glaube allerdings, dass er dem Ernst der Lage nicht ganz gerecht wird, wenn man die Gefährlichkeit einer Atombombe mit 5 KiloBananen beziffert... (Hinweis: Der Wert in BED müsste natürlich viel größer sein, aber a) hatte ich keine Lust so etwas unsinniges nachzurechnen und b) wäre das Wortspiel weniger gut, wenn ich GigaBananen geschrieben hätte.. man verzeihe es mir).
Mehr Kalium - bezogen auf 100g Nahrungsmittel - als in Bananen findet man z.B. in Kartoffeln, Datteln, Spinat und allg. in vielen Trockenfrüchten. Ein anderes Früchtchen, das nicht nur durch seine Radioaktivität glänzt, sondern auch - und vorallem - wegen des hohen Fettanteils (über 60%) ist die Paranuss. In diesem Fall liegt es aber nicht am Kalium, das ebenso vorhanden ist, sondern an der Eigenschaft des Paranussbaums, natürliches Radium aus dem Erdboden aufzunehmen, in den Samen einzulagern und so aufzukonzentrieren, wodurch Paranüsse etwa die fünffache Radioaktivität einer vergleichbaren Menge Banane erreichen können.
Kleiner Exkurs zu Paranüssen: Neben Radium wird in ihnen ebenfalls Selen angereichert. Damit sind Paranüsse der größte pflanzliche Lieferant dieses Spurenelementes. Hier ist tatsächlich Vorsicht geboten! Vergiftet man sich mit Selen - und das kann durchaus passieren, wenn man reichlich Paranüsse isst - folgen Haarausfall, unschöne Streifen auf den Fingernägeln und diverse Formen von Magen-Darm-Problemen. Außerdem gibt der Körper einen Teil des Selens über den Schweiß ab. Bakterien auf der Haut, die normalerweise Schwefel verstoffwechseln, nehmen dann dieses Selen auf und produzieren Stoffe, die so unfassbar stinken, dass es eine Untertreibung wäre, vom gesellschaftlichen Tod der Person zu reden. In Frankreich gab es mal ein Unternehmen, das Geruchsstoffe zur Markierung von Erdgas produziert hat. Dort gab es ein Leck und 5 Stunden später klingelten an der englischen Südküste die Telefone der Notrufzentralen heiß, weil die Menschen um Gasleckagen in ihren Häusern fürchteten. Das waren Schwefelverbindungen, Selen-Analoga riechen schlimmer.
Paranuss-Fakt Nr. 2: Paranüsse sind das einzige Nahrungsmittel, das über sexuell übetragbare Allergene verfügt. Es gibt medizinisch belegte Fälle, in denen ein Menschenmägdlein mit Allergie auf Paranüsse nach ungeschütztem Kontakt zu einem Menschenknäblein einen allergischen Schock erlitt.
Nun zu meiner Lieblingsbeschäftigung: Seitenhiebe auf Raucher verteilen. Tabakpflanzen, die den Rohstoff für die Herstellung von Zigaretten, Zigarren u.ä. darstellen, haben die Fähigkeit, natürliches Polonium aus dem Erdboden anzureichern (außerdem noch so nette Schwermetalle wie Nickel oder Cadmium und andere Dinge, die man eigentlich nicht in seiner Lunge haben möchte, wenn man noch bei Verstand ist), was dem mutagenen Rauch aus diesen glimmenden Vorboten des Todes auch noch das erbahmungslose Licht radioaktiver Strahlung verleiht.
Und zum Schluss vom Rauchen zum Rauchmelder. Der aufmerksame Leser erahnt es sicher schon: Auch hier versteckt sich Radioaktivität. Zugegeben, die meisten Rauchmelder in Deutschland kommen ohne aus, aber z.B. in Dänemark gibt es fast ausschließlich sog. Ionisationsrauchmelder, die über eine kleine Quelle radioaktiver Strahlung verfügen. Dabei wird Americium (241Am), das sich dadurch qualifiziert, dass es zwar eine hohe alpha- aber nur geringe gamma-Strahlung emittiert, verwendet. Die alpha-Strahlung kann die Abdeckung des Rauchmelders nicht durchdringen - genau genommen kann sie so gut wie gar nichts durchdringen, auch kein menschliches Gewebe und reicht selbst in Luft nur bis zu 5cm weit - und ist daher keine große Gefahr für den Menschen, solange die Strahlungsquelle nicht verschluckt wird. Deswegen sollten Rauchmelder für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden - am besten unter der Decke. Gamma-Strahlung hingegen durchdringt praktisch alles, sogar massives Blei, und kann bestenfalls abgeschwächt werden. Außerdem ist das Zerfallsprodukt des Americiums ein Neptuniumisotop (237Np) mit einer Halbwertszeit von über 2 Millionen Jahren und übersteigt damit deutlich die mittlere Lebensdauer des Rauchmelders selbst. Zweck des Ganzen ist, dass ein kleiner Detektor die alpha-Teilchen aus dem Americium-Zerfall detektiert. Dringt nun Rauch in den Raum zwischen Strahlungsquelle und Detektor und unterbricht so den Detektionsstrom, wird der Alarm ausgelöst. Diese Ionisationsrauchmelder sind zwar im Allgemeinen zuverlässiger, allerdings kommt Americium auf der Erde nicht natürlich vor und muss aus abgebrannten Brennstäben von Kernreaktoren gewonnen werden. Dabei können aus einer Tonne Kernbrennstoff etwa 100g Americium erhalten werden. Zudem sei angemerkt, dass der Gesetzgeber vorschreibt, dass der Bauschutt, der beim Abriss eines Gebäudes anfällt, welches nachweislich mit mindst. einem Ionisationsrauchmelder ausgestattet war, unabhängig von der Größe des Gebäudes vollständig als radioaktiver Sondermüll entsorgt werden muss.
Soweit der erste Ausflug in die kuriose Welt radioaktiver Dinge. Fortsetzung folgt!

9 Kommentare:

  1. 5 KiloBananen entspricht 5000 Bananen und nicht nur 5 Kilogramm Bananen. Nur damit es Sinn macht! Eine Banane entspricht dabei 0.1 microSievert Strahlung. 5 KiloBananen demnach 0.5 miliSievert. Erhält jemand mehr als 4000 miliSievert stirbt er sehr wahrscheinlich.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

      Löschen
    2. "Sinn HAT"! Oder "einen Sinn ergibt". "Makes Sense" ist nur im Englischen korrekt. Auch wenn viele das falsch machen.

      Löschen
  2. Ich habe folgende zwei Fragen:

    1. Was für eine Rolle spielt es für den Körper/Zellen eine Rolle, wie die Radioaktivität aufgenommen wird? D.h. wie ist der Unterschied, ob man bspw. durch Rauchen Radon aufnimmt, Paranuss ist, viel Zeit in der Höhe bspw. im Flugzeug verbringt, oder geröngt wird?

    2. Wie stark hängen die Folgen von radioaktiver Belastung bzgl. Zeitverteilung ab? Wieviel Bequerel von welchem Absorbationstyp während welchem Zeitraum ist unbedenklich, und ab wann sollte man sich vorsorgen?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. 1) Ganz banal: Radioaktivität von außerhalb des Körpers muss erst noch durch die Haut, wo sie kaum Schaden anrichten kann, um an die "gefährlichen" Stellen (Zellen im Körperinneren) zu kommen. Die Haut hält dabei viel auf, u.A. fast die gesamte Gamma-Strahlung. Gegessene radioaktive Stoffe befinden sich dagegen beim Zerfall evtl. bereits in eine Zelle integriert und können damit mit höherer Wahrscheinlichkeit Schaden anrichten.

      Löschen
    2. Nicht ganz: Gammastrahlen sind so energiereich, daß sie den Körper durchqueren. Auf dem Weg treffen sie ganz sicher Zellen, in denen sie Schaden anrichten.

      Löschen
  3. Ihr macht mir spaß ! Ich liebe Paranusskerne aus Ökologischem Anbau. 2 tg. und 200 gramm sind weg. Komisch aber jetzt schmecken sie mir nicht mehr ;-)) vielen Dank !

    AntwortenLöschen
  4. 2 kleine Fehler:
    Das der radioaktive Kohlenstoff entsteht durch kosmischen Beschuß von Stickstoff, nicht CO2. Das radioaktive CO2 ensteht später durch Oxidation. Wenn wir das einatmen wird es auch wieder ausgeatmet. Die Aufnahme erfolgt über die Nahrung, denn die Pflanzen, die wir (oder Tiere) essen, verwerten den Kohlenstoff aus dem CO2.
    Der andere ist die Sache mit dem Ionisationsrauchmelder. Hier wird gemessen ob die Luft in der Kammer leitfähig (Strom) ist. Die Strahlung dient dazu Rauchpartikel zu ionisieren, welche dann in/durch die Luft leitfähig sind. Es funktioniert nicht wie eine Lichtschranke.
    Noch ein paar Worte zum Kalium. Es ist die größte Menge Radioaktivität in unserem Körper aber für die Betrachtung der Belastung im Sinne von Grenzwerten irrelevant, weil der Körper seinen Kaliumgehalt konstant hält bzw. halten sollte. Andere Substanzen, wie z.B. Caesium oder Isotope aus den Uran-/Thoriumzerfallsreihen haben ein höheres Gefahrenpotential. Paranüsse esse ich schon lange nicht mehr, obwohl ich sie lecker finde, aber wenn ich mir mit einem Tütchen eine Monatsdosis (Nahrung) zusätzlich reinfresse, ist das zu viel.

    AntwortenLöschen